Die Ereignisse überschlagen sich. "Es ist Gefahr in Verzug, ich habe eine
statische Notsicherung beauftragt", sagt Bürgermeister Helmut Blank. Dafür
wird ein Spezialkran gebraucht, damit die Mitarbeiter der Firma Holzbau
Weigand am Fachwerk im obersten Teil des Turmes arbeiten können. Das wird
eine Weile dauern. Deshalb bleibt die Jörgentorgasse vorerst bis Montag,
18. November, gesperrt. Die gute Nachricht: Die Nutzung des Fußweges am
Jörgentor ist möglich.
Dieser ist für Fußgänger vor herabfallenden Teilen gesichert worden. Wenn am
Montag die Schule wieder beginnt, können die Kinder also ihren gewohnten
Schulweg benutzen.
Schlechte Nachrichten
Rund zwei Stunden lang haben Lutz Parisek, öffentlich bestellter und
vereidigter Sachverständiger, Matthias Heuring vom Ingenieurbüro
Federlein-Architekten und Bürgermeister Helmut Blank zusammengesessen.
Dann stand das Ergebnis fest.Und das ist wenig erfreulich.
"Wir heben eine Bohrwiderstandsmessung durchgeführt", sagt Lutz Parisek.
Dabei wird ins Holz des Fachwerks gebohrt, anhand der Kraft die benötigt
wird, lässt sich der Zustand des Holzes bemessen. Aber von Widerstand
konnte keine Rede sein. An manchen Stellen konnte der Sachverständige mit
dem Finger in die Balken eindringen. Besonders die Westseite ist betroffen,
sagt Matthias Heuring.
Es wird er Stadt nichts anderes übrig bleiben, als die innen errichteten
zusätzlichen Mauern komplett zu entfernen. Auch der Zementmörtel zwischen
dem Fachwerk muss raus. "Dafür muss der Turm komplett eingerüstet werden",
sagt Lutz Parisek. Und das Gerüst wird wohl ein Jahr stehen bleiben müssen.
Mehrfach war das Jörgentor in den letzten Jahrzehnten hergerichtet worden,
aber dabei hat es sich meist um absolut notwendige Reparaturen gehandelt. Das
Problem: Der obere, auf den Turm aufgesetzte Fachwerkaufbau hätte längst
umfassend saniert werden müssen.
"Ein Behelfen mit kleinteiligen Reparaturen ist jetzt nicht mehr möglich", meint
Matthias Heuring. Die Schäden seien zu weit in die Tiefe fortgeschritten, dass
nun eine umfängliche Generalsanierung notwendig werde. Wie genau das
aussehen wird, steht aber noch nicht fest. Wenn die Mauern und der
Zementmörtel entfernt sind, muss das schadhafte Fachwerk ausgetauscht
werden. Das im Jahr 2007 hergerichtete Dach muss dann über ein Tragwerk
gestützt werden. Falls das funktioniert. Im Extremfall muss der komplette
Aufbau runter. Das Fachwerk sei in dieser Höhe derartig dem Wind und
Wetter ausgesetzt, dass man über einen weiteren Schutz nachdenken müsse,
vor allem auf der Westseite, also auf der Stadt zugewandten Seite des Turms,
sagt Matthias Heuring. Und Lutz Parisek betont, dass er ein echter Fan von
Fachwerk sei. An dieser Stelle sei es aber fehl am Platz.
Wie geht es weiter? Eigentlich sollte ein Kran mit einer Hebebühne die
Arbeiter für die Notsicherung in den Bereich des Fachwerks bringen, aber das
scheiterte am Vortor. Nun ist ein anderer Spezialkran geordert worden,
weshalb die Turmdurchfahrt noch bis zum 18. November gesperrt werden muss.
Wenn der Turm notgesichert ist, kommt die eigentliche Arbeit.
Förderung möglich
Einen genauen Zeitplan können die Experten noch nicht vorgeben. Die
anstehenden Arbeiten müssen mit den entsprechenden Fachbehörden wie dem
Landesamt für Denkmalpflege abgestimmt werden. Jetzt muss die
Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit den Experten auch die
Fördermöglichkeiten abklopfen. Ein Zuschuss aus dem Förderprogramm
Stadtumbau West ist zwar prinzipiell möglich, dafür müsste der Turm aber
genutzt werden, womit der Brandschutz und die mögliche Außentreppe wieder
ins Spiel kommen.
Das alles muss nun abgeklärt werden, es gibt verschiedene Möglichkeiten.
Allzu viel Zeit haben die Verantwortlichen aber nicht. Im nächsten Jahr sollte
schon mit der Generalsanierung begonnen werden, die dann wohl mindestens
ein Jahr andauern wird, sagen die Experten. Aber keine Angst: Wenn das
Gerüst steht, wird die Jörgentorgasse wohl befahrbar sein, Sperrungen wird
es nur kurzfristig geben. Auf Spekulationen über mögliche Kosten wollen sich
Lutz Parisek und Matthias Heuring nicht einlassen. Billig wird das mit
Sicherheit nicht. Aber auch wenn er dann kein Bürgermeister mehr sein wird,
für Helmut Blank ist klar, dass es keine Alternative zur Generalsanierung des
Fachwerkaufbaus am Jörgentor gibt.
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