2020.09-18 - Jörgentor

 

Das Jörgentor - 18.September 2020

 

 

Das Amt des Turmwartes war vor Jahren ein wichtiges Amt im Vorstand des Rhönklub-

weigvereins Münnerstadt, denn der Verein hat seit über 40 Jahren mit dem Jörgentor das

wohl schönste Vereinsheim aller Rhönklubs landauf und landab. Doch die Zeiten ändern

sich. Der Turm, der der Stadt gehört, ist im oberen Bereich stark sanierungsbedürftig. Ein

großes Problem für die Mitglieder sind die Treppen, klagt Egbert Haut, seit fünf Jahren

Vorsitzender des Vereins. Die meisten Mitglieder sind inzwischen um einiges jenseits von

70 Jahren und hätten bei Veranstaltungen große Probleme, die steilen und zum Teil

ausgetretenen Treppen, die in die Obergeschosse des Turms führen, zu erklimmen. Vor

Jahren gab es im Turm diverse Veranstaltungen, berichtet der Vorsitzende. "Wir haben zum

Federweißen und zur Maibowle eingeladen, aber das Interesse war nicht sehr groß", sagt er.

Heute dient der Turm noch als Lagerraum für diverse Utensilien und außerdem tagt im

Sommer, wenn es warm genug ist, der Vorstand im ersten Obergeschoss. Diesen Sommer

allerdings fanden wegen der Corona-Pandemie hier keine Sitzungen statt. Wenn es kälter

wird, trifft sich der Vorstand, wie andere Vereinsvorstände auch, in einer Gaststätte. Dieses

Vorstandszimmer war einst ein Jugendraum mit einer Werkbank, denn der Rhönklub hatte

eine aktive Jugendgruppe - "aber die sind alle erwachsen geworden". Deshalb wurde aus

diesem Jugendtraum das Sitzungszimmer für den Vorstand.


 

Nicht zu vergessen: Bei Heimatspiel-Aufführungen und beim "Tag des offenen Denkmals"

war der Turm geöffnet. Die Heimatspiel-Aufführungen sind in diesem Jahr sowieso

ausgefallen. Der "Tag des offenen Denkmals" fand virtuell statt, der Turm wäre dieses Jahr

dafür nicht geöffnet worden. "Im Turm ist es so eng, da kann ich mir kein sinnvolles

Hygienekonzept vorstellen. Da könnten höchstens zwei Leute auf einmal rein und das macht

keinen Sinn", betont Egbert Haut. Größere Veranstaltungen wie Hauptversammlungen fanden

schon immer in Gaststätten statt, denn dazu sind die Turm-Zimmer viel zu klein. Viel Arbeit

hat der Verein jedenfalls zurzeit mit dem Turm nicht mehr: "Im Frühling das Wasser ein- und

im Herbst wieder abstellen", schildert der Vorsitzende. Das war in früheren Zeiten ganz

anders. Im oberen Teil des fünfgeschossigen Turms, im Fachwerkbereich, hatte der

Rhönklub Übernachtungsmöglichkeiten eingerichtet, die auch gerne genutzt wurden. Im

Vorstandszimmer war die Küche, weiter oben ein Aufenthalts- und Speiseraum. Zu dieser

Zeit war der schon erwähnte Turmwart wichtig, um das alles zu organisieren.


Doch darf hier seit Jahren wegen Brandschutzauflagen der Behörden niemand mehr

übernachten, da es schwierig wäre, im Notfall jemand aus den Obergeschossen zu retten. Es

gab Diskussionen über einen Rettungsschlauch oder eine Notfalltreppe außen am Tor. In den

Hauptversammlungen des Rhönklubs wurde mehrfach darüber diskutiert, ob der Verein die

Schlüssel nicht an die Stadt zurückgeben soll. Doch bisher fand sich keine Mehrheit dafür.

"Das Jörgentor kostet uns praktisch nichts, außer Wasser und Strom, die Nebenkosten sind

also minimal. Das interessiert die Mitglieder besonders", ergänzt Egbert Haut.

Schon Ende März 2019 hatten sich einige Teile des Fachwerks gelöst und waren auf die

Straße gefallen, wodurch eine Notsicherung nötig war. Ende Oktober 2019 lautete eine

Schlagzeile in der Zeitung: "Gefahr im Verzug am Jörgentor." Fachleute hatten festgestellt,

dass viele Fachwerkbalken im oberen Bereich völlig morsch sind. Die Schäden hängen

mindestens zum Teil zusammen mit einer Sanierung aus dem Jahr 1982, als innen

zusätzliche Mauern eingefügt wurden. Deshalb ist nun eine umfangreiche und vermutlich

nicht billige Sanierung des oberen Teils Jörgentors notwendig.


Im Vorfeld dieser Arbeiten wurden die beiden oberen Etagen, in denen sich die schon lange

nicht mehr benutzten Stockbetten für die Übernachtungen befanden, ausgeräumt. Die Räume

sind nun erst einmal leer. Egbert Haut rechnet nicht damit, dass sie wieder genutzt werden.

Im April letzten Jahres berichtete die Zeitung noch, dass der damalige Bürgermeister Helmut

Blank sich wieder Übernachtungen im Jörgentor vorstellen könnte und eine Nottreppe für

denkbar halte. Dieses Thema scheint vom Tisch. Besagte Nottreppe außen am Tor wäre sehr

teuer, meint Egbert Haut, "und außerdem ist die Frage, ob der Denkmalschutz sie überhaupt

genehmigen würde". Das Kapitel Jörgentor ist für den Verein damit allerdings nicht ganz

erledigt. "Der neue Bürgermeister Michael Kastl hat nichts dagegen, dass wir drinbleiben",

meint der Vorsitzende. Bis zur nächsten Hauptversammlung werde sich hier nichts bewegen.

Warum der Verein so am Jörgentor hängt? "Die Frage ist berechtigt, aber nicht

beantwortbar", sagt er. "Da hängt für viele Mitglieder viel Herzblut drin", hatte es vor zwei

Jahren in einer Hauptversammlung der Ehrenvorsitzende Baldur Kolb ausgedrückt.


Haut verweist darauf, dass der Rhönklub mit oder ohne Turm nicht arbeitslos ist. Er kümmert

sich zum Beispiel um Wanderwege nach Bildhausen, Rottershausen, Bad Kissingen,

Bad Bocklet und Strahlungen sowie um das Fridritter Kreuz. Außerdem finden zahlreiche

Wanderungen statt. Die geplanten Ausfahrten mussten dieses Jahr allerdings wegen

Corona abgesagt werden.


Die Baugeschichte


Über die Baugeschichte ist nur wenig bekannt. Der massive, fünfgeschossige Torturm mit

einem Fachwerkaufsatz wurde nach 1508/09 erbaut. Das ergaben dendrochronologische

Untersuchungen (die Auszählung  von Jahresringen des verwendeten Bauholzes). Von 1926

bis 1974 haben unzählige Jugendliche im Jörgentor übernachtet, nur nach dem Krieg wurde

es kurzzeitig als Wohnraum für Heimatvertriebene genutzt. Weil die sanitären Anlagen nicht

mehr der Zeit entsprachen und die Brandschutzvorschriften nicht eingehalten werden

konnten, schloss 1975 die Stadt das Jörgentor. 1983 bot der damalige Bürgermeister Betzer

das Tor dem Rhönklub an. Mitglieder renovierten danach den stark heruntergekommenen

Innenbereich sehr aufwendig. Am 19. Mai 1984 wurden die Räume feierlich übergeben.

Seither diente das Jörgentor als Versammlungsraum, es konnte aber auch wieder als

Übernachtungsstätte und Ort für Veranstaltungen genutzt werden. Ende 2007 wurde der

Turm wegen des fehlenden Fluchtweges im Brandfall komplett geschlossen. Nachdem einige

Auflagen erfüllt wurden, konnten der Verein den Turm nach einem Jahr wieder nutzen,

Übernachten war aber untersagt. Deshalb gab es kaum noch Nachfragen für Familienfeiern

im Turm.


Zeitungsbericht  und Bilder - Saalezeitung vom 18.September 2020                     © Dieter Britz

 

 

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